Die Japan Nacht - Back from Japan - Nikkei Down

Keine Kultur ist so für ihre Fähigkeit zur Assimilation, zur Anpassung und Vereinnahmung fremder Einflüsse bekannt, wie das Japan der letzten 100 Jahre.

Wandert man durch das heutige (1996) Tokyo, begegnet man einer eigenartigen Mischung verschiedenster Stilformen, die scheinbar unverbunden nebeneinander existieren. An der Oberfläche scheint die Verwestlichung (oder besser: Amerikanisierung) weit fortgeschritten, doch bleibt sich auch der kundige Fremde stets seines Andersseins bewußt, und somit ist der Einblick in die Gefühlswelt der japanischen Gesellschaft meist eher begrenzt. Die Ästhetik, die wir im Westen aus Museen, Filmen und Büchern kennen, ist auf den Straßen, im täglichen Leben nicht präsent (erfahrbar am ehesten noch in der japanischen Küche).

Statt dessen kann man beispielsweise in eine Tangobar geraten, die direkt aus Buenos-Aires importiert sein könnte, und mit japanischen Aficionados einer japanischen Band zuhören, die 'originaler' klingt als viele argentinische.

Ähnliches könnte man in einem Countrymusik Club erfahren, oder einem Blues- oder Jazzlokal.
Interessanter sind jedoch die Hybridformen, die eigenartigen Mischungen westlicher und japanischer Elemente, Musik, die nur hier und vielleicht nur für bestimmte Zeit entstehen konnte.

Die Japan-Nacht gibt ein sehr subjektives Hörbild Japans, in dem traditionelle Elemente ebenso ihren Platz haben, wie moderne, schräge oder sonstwie interessante Töne.


Back from Japan

Wieder tauchen wir ein in die fremde und doch so oft überraschend (aber meist nur scheinbar) bekannte Klangwelt Japans. Hinter der perfekten Anpassung an so gut wie alle musikalische Stilrichtungen verbergen sich immer wieder sehr eigene und merkwürdige Umformulierungen und Interpretationen. Wie durch die wuchernde Architektur Tokyos, die gnadenlos und spielerisch die unterschiedlichsten Bauformen zu einer immer wieder neuen Athmosphäre zusammenwachsen läßt, treiben wir durch die verschiedenen Bruchstücke japanischer Musikproduktionen, die nie richtig zusammen passen, aber doch auch immer etwas gemeinsam zu haben scheinen. Hier wie überall findet man ausgefallenere Formen musikalischen Ausdrucks, der seine Inspiration in der Ferne sucht, das japanische Gamelanorchester, die Tangoband usw.

Klangkunst und Klangskulptur oder -installation haben hier schon Tradition, und in keinem anderen Land wird dem Klang im öffentlichen Raum so viel Aufmerksamkeit gewidmet wie hier: jeder Halt der U-Bahn, das Grün der Fußgängerampel, die Ankunft des Lifts, alles wird von musikalischen Klängen begleitet, von melodischen Kürzeln, die sofort ins Ohr gehen, und die man gleich wieder vergißt, präsent und doch ohne die Wahrnehmung auf die Dauer zu belasten.

Japans Städte ließen sich allein durch ihren Klang identifizieren. Hier wie überall steht natürlich der kommerzielle Aspekt der Musik im Vordergrund, und neben den uninteressanten Pop-Abziehbildern der üblichen amerikanischen Vorbilder entwickeln sich eigenwilligere Vertreter von easy-listening, neo-exotica, Techno und anderen angesagten Trends.

Dabei gibt es auch Musiker, die traditionelle Elemente verwenden, wie z.B. der Sänger Takio Ito, oder Michihiro Sato, der schon vor Jahren mit John Zorn eine Platte einspielte. Sato spielt die tsugaru-samisen, eine Art japanischem dreisaitigen Banjo, und in seiner wunderbaren Band 'Sato Michihiro Tsugaru-Shamisen Gakudan' spielen unter anderem auch die Schwestern Kaori und Kizu Shigeri traditionelle Percussion.

Enka

Seit 100 Jahren die typischste Form japanischer Popmusik und ungebrochen erfolgreich: enka. Für aufrechte Musikethnologen (und Wahrer des guten Geschmacks) der pure Horror und keiner Erwähnung wert. Der typisch japanische, vibratoreiche Gesang und die eigenartige Mischung westlicher und japanischer Instrumente bilden den unverwechselbaren Klang dieses Genres. In den Texten kommt die ganze Bandbreite des täglichen Lebens zum Ausdruck: Liebe, Tagesereignisse, soziale Kommentare.

Einflüsse westlicher Musik (Klassik, populäre Formen, in manchen Fanfaren mag man auch noch Echos der ersten westlichen Musik in Japan entdecken, nämlich der Militärmusik) vermischen sich mit japanischen Volksmusikformen, die sich z.B. in der meist pentatonischen Melodik ausdrückt.

Enka hat eine ganze Reihe nur in Japan bekannter Stars hervorgebracht, Minami Haruo ist seit einiger Zeit der Erfolgreichste, Hideo Murata war in einigen Filmen Akira Kurosawas zu hören, Kitajima Saburo gilt als einer der interessantesten.

Girlies

Natürlich sind Girlie-bands kein ausschließlich japanisches Phänomen, aber nirgends gibt es so viele wie hier und nirgends sonst sind so viele so erfolgreich. Das mag einerseits damit zusammenhängen, daß vor allem die von der Pop-Kultur beeinflußten jungen Frauen sich mehr und mehr emanzipieren, wobei sie oft genug sofort von der Musikindustrie vereinnahmt und damit auf diese Weise wieder gesellschaftlich diszipliniert werden.

Andererseits sind Schulmädchen nach wie vor (und eher zunehmend) bevorzugtes Objekt erotischer Phantasien japanischer (und nicht nur älterer) Männer. Ob im Trash oder Jazz (Pop und Rock sowieso) oder easy-listening, überall tummeln sich Bands mit ausschließlich weiblicher Besetzung, und durchaus nicht alle sind dabei von ihren meist männlichen Produzenten abhängig.